
Dana Gerhardt (1953) studierte Literatur und ist hauptberuflich in einem Unternenehmen für Marktforschung tätig. In den USA ist sie eine beliebte Autorin und Kolumnistin. Sie schreibt regelmäßig in der Zeitschrift The Mountain Astrologer sowie für zahlreiche anderen Zeitschriften und Astrologie-Webseiten. Unter dem Titel Moonprints erstellt sie eigene Computerhoroskope.
Der lebendige Mond
Die vedische Astrologie spricht von den Planeten und den Lichtern als heilige lebendige Wesen – als Götter und Göttinnen. Auch wenn ich zu einem Kreis von Frauen gehöre, die den Mond gern eine »Göttin« nennen, fällt mir diese Art von Sprache nicht leicht. Ich konnte nie daran glauben, dass der Himmel über mir voller Götter hängt wie viele bunte Smarties. Ich kann jedoch an Kräfte glauben, die über mich selbst hinausgehen. Und auch, wenn diese vielleicht nicht auf den Planeten zu finden sind und von dort aus unsere menschlichen Schicksale steuern wie in einem Flughafentower, so sprechen sie vielleicht doch mithilfe der Planeten zu uns. Was dort oben seine Kreise zieht oder hier unten im Horoskop steht, mag das Gleiche sein wie eine heilige Statue auf einem Altar eines hinduistischen Tempels – sichtbare Boten eines lebendigen Gottes. Das Wort »lebendig« fasziniert mich dabei total. Denn es bedeutet, dass ich nicht unbedingt ein Astrologiebuch aufzuschlagen brauche oder die Mondphase nachschlagen muss, wenn ich über den Mond nachdenke, sondern ich kann in meinem eigenen Leben nach ihm Ausschau halten, in meinem Körper, meinen Gefühlen und Stimmungen.
Während meiner Schwangerschaft verschlang ich dicke Wälzer über den Mond. Das war – da bin ich absolut sicher - der Mond selbst, der sich meines Körpers bemächtigte, mich füllte wie eine reife Frucht und unterdessen den neuen kleinen Herzschlag in mir nährte. Ich wusste ja gar nichts übers Kinderkriegen! Ich las Bücher, ich achtete auf meine Ernährung, doch die meiste Zeit stand ich nur daneben und schaute staunend zu, wie sich dieses Mysterium durch eine größere Kraft als mich selbst entfaltete. Als mein Sohn dann auf der Welt war, war es ganz sicher auch der Mond, der mir beibrachte, wie unglaublich schön es ist, sich um einen anderen Menschen zu kümmern. Von einem auf den anderen Tag löste sich mein Kreisen um mich selbst auf, die ständige Last, »wichtige« Projekte vorantreiben zu müssen und von einer Unternehmung in die nächste zu jetten. Vom Mond erlernte ich das unvergleichliche Glücksgefühl, das Licht eines anderen Wesens zu reflektieren.
Doch es kam auch wieder eine Zeit, in der ich keine Mutter mehr sein wollte. Ich wurde der ewigen Appelle an meinen Sohn Branden müde, sich doch die Zähne oder die Nase zu putzen und den Hund nicht zu ärgern. Ich wollte nicht morgens schon die Sendung mit der Maus und abends das Sandmännchen gucken oder mit Schlepplastern und Feuerwehrautos auf dem Wohnzimmerboden spielen. Ich fuhr zusammen, wenn ich die süße Stimme meines Dreijährigen hörte, die rief: »Mami, spielst du jetzt mit mir?« Natürlich wollte ich seinen Bedürfnissen gegenüber aufmerksam sein, ihn in seinen Gefühlen bestärken, Grenzen setzen, Möglichkeiten eröffnen und alles andere tun, was uns Psychologiebücher so empfehlen. Aber zwischendurch fühlte ich mich einfach wie eine ausgequetschte Zitrone. Ich verlor die Geduld und wurde zur bösen Hexe.
Den Kampf kann ich im Horoskop meines Sohnes wiederfinden. Er hat eine Mond/Jupiter-Konjunktion in Opposition zu Venus und im Quadrat zu Mars. Voller Schuldbewusstsein denke ich daran, wie ich für ihn das Marsquadrat symbolisiert habe. Ein Morgen ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben, als ich einen langen Kampf mit ihm ausgefochten hatte, damit er seine Zähne putzt, sich wäscht und sich aufs Töpfchen setzt, damit ich ihn anziehen und zu seiner Tagesmutter bringen konnte. Er schlich die Treppenstufen im Schneckentempo hinunter. »Lass uns gehen, Schatz, die Mami kommt sonst zu spät zur Arbeit.« Er stand einfach nur da und betrachtete den Tag. Ich nörgelte weiter und ein paar Schritte später hielt er an einem Blumenbeet an und fragte mich – wie so oft – ob er ein paar Blumen für seine Tagesmutter pflücken könne. Ich sagte nein, wir seien heute zu spät dran, er stampfte mit den Füßen auf und stieß einen schrillen Schrei aus wie eine Alarmanlage. Ich flippte aus. Ich schrie ihn an, ging zum Blumenbeet, riss eine Handvoll Blumen aus und warf sie ihm vor die Füße.
Ich werde oft von besorgten Müttern gefragt, was Quadrate oder Oppositionen zum Mond ihres Kindes denn bedeuten. »Machen Sie sich keine Sorgen,« möchte ich ihnen dann sagen. »Das finden Sie schon selbst heraus. Achten Sie einfach mal darauf, was Sie tun, wenn Sie hungrig, müde, gehetzt, wütend oder einsam sind.« Ein T-Quadrat aus Mond, Jupiter, Venus und Mars? Schauen Sie mich an, Brandens ungeduldige, abenteuerliche, nachsichtige und wütende Mama, in einer Szene wie ich sie schlimmer aus meiner eigenen Kindheit und meinen Therapiestunden nicht kenne.
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