Die Mystik der Zahlen
Weit in unergründliche Vergangenheit reicht das Streben der Menschheit zurück, Erklärungen für die Tatsachen des Lebens zu finden. Viele Wege hat sie eingeschlagen, um die Einheit in der Vielheit zu entdecken. Den höchsten und reinsten Pfad aber führte sie die Lehre von den Zahlen: „Mathematik" und „Geometrie" sowie als deren Krönung „Astronomie". In zahlenmäßigen Verhältnissen wollte man dem Geheimnisse des Lebens seinen Sinn abtrotzen. Man übertrug die vollendeten Proportionen abstrakter Mathematik auf die Formen des Kosmos und Schritt für Schritt erschloss sich eine neue Welt.
Wie diese Welt beschaffen ist, soll vorliegendes Büchlein schildern. Ich hoffe, dass es seinen Zweck ereilt Was strenge Logiker erdacht haben, was Naturwissenschaftler erforschten — in der Mystik der Zahlen fand es seine Vollendung. Die Zahlen verbinden alles zu einer einzigen Harmonie. Dabei muss man sich klar werden, dass man in den Zahlen durchaus keine subjektiven Begriffe erblicken darf, die etwa erst durch einen Denkakt in die Außenwelt hineingetragen würden. Vielmehr hat der Mensch die Zah-len gerade den Außendingen entnommen. Er unterschied Lebewesen mit zwei und andere mit vier Beinen; sein eigener Körper enthielt von den Grundzahlen je einen Kopf, Zunge, Mund usw., je zwei Arme, Hände, Beine, Augen, Ohren usw., drei Gliederungen an der Mehrzahl der Finger, am Arm und am Bein, vier Extremitäten, fünf Finger an jeder Hand, neun Leibesöffnungen, zehn Finger und ebensoviele Zehen, so-dass die Zahl 20 z.B. bei den Eskimos direkt das Wort „für den ganzen Menschen" bedeutet Jedes Schlachttier wies ein Herz neben zwei Lungen, einen Magen neben zwei Nieren auf. Die Blätter der einzelnen Blumen zeigten eine be-stimmte, wenn auch jeweils verschiedene Anzahl und in den Flächen von Kristallformen, sechs bei Platin, acht beim Flussspat, zwölf beim Granat usw. erkannte man schon die Ausprägung eines mathematischen Prinzips im Naturgeschehen.
Eine Geschichte der Zahlenmystik, das wäre die Geschichte der esoterischen Seite der Religionen. In China und Japan blühte sie nicht minder als in Ägypten und Griechenland. Ein Text aus der Zeit des Königs Gudea von Lagasch (um 2500 v. Chr.) rühmt von einer Göttin, dass sie „den Sinn öffne und die Bedeutung der Zahlen kenne". Jeder Schulbub weiß von den Träumen des Pythagoras und des Plato über den Sinn una die Kraft der Zahlen zu erzählen. Die mittelalterlichen Schriftsteller sind voll davon. Und wer hätte nicht von den Kabbalisten gehört, jenen viel-geschmähten und vielbewunderten Männern, die auf eigenen steilen Pfaden, abseits von den breiten Heerstraßen, zur Er¬leuchtung emporklettern wollten? Ihnen offenbarte die Zahl den Sinn des Seins und je mehr sie eindrangen in das Geheimnis der Zahlen, desto leuchtender wurde es von ihnen empfunden. Was ist die Welt anderes, denn ein Blick zwischen zwei Dunkelheiten, denn eine Bestimmung im Meer des Unbestimmten, eine Richtung aus dem Richtungslosen ins Richtungslose? Auch die Zahlen sind gemessene Kräfte mit Beziehung zum Unmessbaren. Die Zahlenreihe kommt aus dem Unendlichen und verliert sich wieder in das Unendliche. Erst zwischen dem mathematischen „Punkt und dem unendlichen „Kreis" liegen die geometrischen Formen. So ist die Welt eingebettet in den Schoß der Ewigkeit. Als letzte Wahrheit besteht nur das Unnennbare.
Leider sind noch keine Bewertungen vorhanden. Seien Sie der Erste, der das Produkt bewertet.
Sie müssen angemeldet sein um eine Bewertung abgeben zu können. Anmelden